LUXEMBURG

(1921 – 2004)
Zeitzeuge und Chronist

 

* 19. März 1921 in Haller, Luxemburg

† 2. Februar 2004 in Luxemburg-Howald

 

„Beim Einmarsch der deutschen Truppen in Luxemburg im Mai 1940 war ich 19 Jahre alt und stand kurz vor dem Abitur. Dieser völkerrechtswidrige Angriff empörte mich aufs Äußerste.“ Der Luxemburger Ernest Gillen schließt sich dem Widerstand an. Am 16. April 1942 wird er festgenommen. „Meine Haft, ohne jedes Gerichtsurteil, sollte mehr als drei Jahre dauern.“

Ernest Gillen durchläuft nach seiner Verhaftung als „Resistenzler“ zwischen April 1942 und Mai 1945 zwei Gefängnisse, drei Stammlager (insbesondere das KZ Natzweiler) sowie vier KZ-Außenlager.

Über verschiedene Gefängnisse und das SS-Sonderlager Hinzert wird er am 29. Januar 1943 in das KZ Natzweiler-Struthof eingewiesen. Über die Lager Dachau und Wesserling kommt er im September 1944 in das KZ Neckarelz in der Schule.

Ernest Gillen und sein Kamerad Aloyse Wies erlebten zusammen die Befreiung.

 

„Mir persönlich brachte Neckarelz eine angenehme Überraschung: Ich fand dort meinen Freund und Klassenkameraden Emile wieder. Hier in Neckarelz war er verantwortlich für die Arbeitseinteilung. Dass mein Freund mich nicht, wie den größten Teil unseres Transportes, zur Arbeit in den Stollen einteilte, fand ich selbstverständlich. Gelegentlich wird Ernest Gillen zur Kartoffelernte und Reparaturarbeiten herangezogen, wobei die Häftlinge auch zusätzliche Lebensmittel bekommen. Einen Monat später am 10. Oktober kommt Ernest Gillen in das relativ angenehme Lager Heppenheim: Arbeitgeber ist die „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung”.

Weitere KZ-Stationen: Ende März 1945 zehn Tage Evakuierungsmarsch von Heppenheim über Neckarelz nach Schwäbisch Hall, Konzentrationslager Dachau (Außenkommando Flughafen München-Riem), Todesmarsch in Richtung Alpen, Flucht und Befreiung beim Schliersee Anfang Mai 1945. Nach dem Krieg arbeitet Ernest Gillen im Staatsdienst und kümmert sich um das Schicksal und den Verbleib luxemburgischer KZ-Häftlinge.

„Man musste ungeheuer viel Glück haben, um so viele Jahre im KZ zu überleben.“ – „Glück im KZ ist ein ganz relativer Begriff, war nur ein seltener Sonnenstrahl in einen mit düsteren Wolken verhangenem Himmel. Das soll nie vergessen werden.“

„Vor allem durfte man sich nie allein fühlen, um den Mut nicht zu verlieren. Man brauchte also Freunde, die einem halfen. Das konnten die Angehörigen zu Hause sein, das konnten im Lager Verwandte, Landsleute, Kameraden aus dem Widerstand oder andere Freunde sein.“ – „Die meisten Häftlinge hatten keine mächtigen Freunde, konnten nicht von glücklichen Fügungen profitieren. Viele wurden immer wieder ohne eigene Schuld, durch Zufall, durch die schlechte Laune der SS-Leute oder der Kapos und Vorarbeiter geplagt. Unzählige mussten fast unmöglich schwere Arbeiten leisten, hungerten und wurden krank. Sehr viele lernten nie die Wohltat der Solidarität kennen, sie mussten sich vollkommen verlassen durch jahrelange Haft hindurchkämpfen.“

Nach dem Krieg bewältigt Gillen, der die Diplomatenlaufbahn einschlägt, die erlittenen Traumata durch historische Forschungsarbeit. Er ist dabei nicht nur der eigenen Geschichte auf der Spur, sondern auch der seiner Luxemburger Kameraden. Unermüdlich sammelt er Dokumente; ein großes Privatarchiv vor allem zur Geschichte des Lagers Natzweiler und seiner Außenlagern entsteht. Außerdem veröffentlicht er in der Zeitschrift Rappel zahlreiche, wegen ihrer Genauigkeit stark beachtete Artikel. Daneben knüpft er ein Netz von Kontakten zu vielen Gedenkstätten und Lehrern beiderseits von Rhein und Mosel. Die Bedeutung Gillens für die Erinnerungsarbeit um das KZ Natzweiler kann kaum überschätzt werden.